Im Einsatz für… die Welt! Hannes Jaenicke

Der deutsch-amerikanische Schauspieler Hannes Jaenicke, geboren 1960 in Frankfurt am Main, ist einer der bekanntesten Film- und Fernsehstars und engagiert sich seit vielen Jahren auch massiv für die Umwelt. Was in Amerika unter Prominenten viel weiter verbreitet ist, nämlich sich medienwirksam für wichtige Projekte starkzumachen (man denke nur an Robert Redford, Leonardo DiCaprio oder Brad Pitt), ist in Deutschland unter Prominenten eher verpönt. Und prompt muss sich Jaenicke von der nationalen Presse auch öfter mal Spitzen anhören: Die FAZ bezeichnete ihn zum Beispiel spöttisch als „Vielflieger gegen den Klimawandel“. Dabei wäre es schön, wenn sich mehr wie er hinstellen würden, um die Finger in gesellschaftliche Wunden zu legen, Stellung zu beziehen und Klartext zu reden. Zwischen seinen vielen Terminen hat er sich Zeit für ein Telefonat mit dem XAVER genommen und dabei sogar den Otto-Waalkes-Schnellsprech-Rekord gebrochen – er hat halt viel zu sagen!

XAVER: Herr Jaenicke, Sie verbringen etwa die Hälfte des Jahres in Kalifornien und wohnen ansonsten am Ammersee. In Sachen Umweltschutz ist Kalifornien doch glaube ich recht weit, oder?

Hannes Jaenicke: Also, weltweit gesehen, würde ich sagen unter den Top3, in guter Nachbarschaft zur Schweiz, Costa Rica und Schweden. Kalifornien erfüllt jetzt schon die Werte des Pariser Abkommens und bis 2030 soll Los Angeles komplett CO²-neutral sein – damit ist man Deutschland also um zehn bis fünfzehn Jahre voraus.
X: Kalifornien hat damals auch super reagiert als Präsident Trump aus dem Pariser Abkommen ausgestiegen ist und Kalifornien daraufhin lapidar bekannt gegeben hat, dass er das ja schon machen kann, dass sie die Ziele aber auf jeden Fall weiterverfolgen werden.

HJ: Und das hat ja durchaus Gewicht, wenn die sechstgrößte Volkswirtschaft der Welt so einen Kurs einschlägt.
X: Ich vermute mal, dass die Umweltthematik dann auch sehr präsent im Alltag ist, oder?

HJ: Man muss da mal grundsätzlich unterscheiden zwischen der urbanen und der Landbevölkerung. Kalifornische Städte sind extrem weit, das geht bis hin zu einem Ort wie Eureka, das komplett elektrisch und CO²-neutral ist – solche Entwicklungen brauchen in einer Metropole wie Los Angeles dann natürlich länger. Wenn man am Strand eine Zigarette in den Sand steckt, dann kostet das 500 Dollar, und zwar gar nicht wegen des Rauchens, sondern weil es das Wasser versaut. Und wenn man eine Zigarette aus dem Auto schnippt, dann kostet das sogar 1000 Dollar – natürlich auch wegen der Waldbrandgefahr! In Sachen Gesetzgebung sind die also absolut rigide und es passiert einfach mehr als in Deutschland.
X: Und die Bevölkerung zieht da komplett mit?

HJ: Na ja, 100% Unterstützung wird man bei solchen Themen nie bekommen und natürlich fahren in Los Angeles jede Menge große Trucks, SUVs, Ferraris und Porsches. Man sieht also nicht nur Teslas, Toyota Prius oder BMW eDrive. Aber die Politik macht da den Unterschied und ist viel engagierter und ambitionierter als bei uns.

X: „Die größte Bedrohung für unsere Erde ist der Glaube, dass jemand anderes sie retten wird!“ steht als Titelbild auf Ihrer Facebook-Seite. Und im Prinzip weiß doch jeder, dass etwas getan werden muss, aber über weite Strecken regiert doch flächendeckende Verdrängung. Verzweifeln Sie auch manchmal am Volk?

HJ: Ich verzweifele da weniger am Volk, als an Politik und Industrie. Ich mache das jetzt schon fast 40 Jahre und man fragt sich schon manchmal, warum die Politik grundsätzlich das Gegenteil davon tut, was sie tun müsste. Wenn man sich da solche Ministerattrappen wie Julia Klöckner (Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft, Anmerk. d. Red.), Andreas Scheuer oder seinen Vorgänger Alexander Dobrindt (Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur, Anmerk. d. Red.) – das ist ja schon fast tragisch. Das sind absolute Marionetten von Lobbyisten und Industrie-Interessensgruppen. Die wissen allesamt ganz genau, dass das nicht nachhaltig ist, was sie da treiben. Das Gleiche mit der Energieindustrie und mit Altmeier, unserem vermeintlichen Wirtschaftsminister, das ist auch so eine Attrappe. So was verstehe ich nicht… dass ein Altmeier mal Umweltminister war, und das war eine Frau Merkel auch mal… und die verfehlen wissentlich und absichtlich krachend jedes der Pariser Klimaziele. Diese Mischung aus Dummheit, Überheblichkeit, Ignoranz, Desinteresse, Käuflichkeit… da bin ich manchmal kurz davor, alles hinzuschmeißen und den Rest meines Lebens nur noch Surfen zu gehen.
X: Klar, das Marionetten-Theater ist das eine, aber obwohl wir doch alle so zivilisiert und für Umweltschutz sind und wissen, was richtig und falsch ist – irgendjemand muss doch zum Beispiel den ganzen Müll aus den Autos werfen, der massenweise am Straßenrand liegt!

HJ: Das spaltet sich so ein bisschen und es gibt aber gerade auch ausgesprochen viele Deutsche, die sich für Artenschutz und Umweltschutz interessieren und engagieren. Und dann gibt es eben auch noch die Range Rover- und Cayenne-Fahrer, die nach wie vor dem Auto als Statussymbol huldigen. Ich glaube, wir sind in Deutschland schon relativ weit und zum Beispiel das Wahlergebnis in Hessen war doch ein absoluter Lichtblick. Selbst in Bayern! Und man mag ja über Herrn Söder sagen, was man will, aber der vollzieht mit seinem Bundesland gerade eine absolute Agrarwende, und das ist großartig. Klar, man kann ihm da Opportunismus vorwerfen, aber wenn man auf ein Volksbegehren wie in Bayern so reagiert, dann kann man nur sagen: Der Mann macht etwas richtig! Und da zieh ich dann auch fairerweise meinen Hut!

X: Zurzeit überrascht eine Bevölkerungsgruppe, die man jahrelang eher für desinteressiert gehalten hat, mit großem Einsatz: Die Jugend demonstriert regelmäßig für den Klimaschutz, Stichwort „Fridays For Future“. Wie schätzen Sie das ein: Ist das ein Strohfeuer oder ist da eine Generation aufgewacht?

HJ: Es wäre so toll, wenn das im Gegensatz zu den ganzen Occupy-Bewegungen Bestand hätte. Und ich halte es für absolut schändlich, wenn so Leute wie Lindner und Co., die der Industrie sonst fleißig im Dünndarm herumkriechen und die Umwelt seit Jahren versauen, wenn die diese Jungen jetzt so als Schulschwänzer diffamieren. Ich unterstütze die auch nach Leibeskräften, überweise da brav mein Geld, weil, das kostet ja auch, so eine Demonstration. Ich finde es großartig, was die Kids da auf die Beine stellen.

X: Abseits von Greta Thunberg gibt es auch in Deutschland Aktivistinnen im Kindesalter. Sie haben kürzlich Vanessa Bosse kennengelernt.

HJ: Genau. Die lebt circa eine Stunde vom Ammersee entfernt in der Nähe von Murnau in einem kleinen Dorf. Und die hat da angefangen, so richtig mit Plastikmüll aufzuräumen. Und das hat mir ein Journalist gesteckt und dann bin ich da mal hingefahren und habe sie kennengelernt und mit ihr so eine kleine Presseaktion gemacht. Fantastisches Mädel, tolle Familie und ein großartiges Projekt. Es gibt eben so Oasen in Deutschland, wo unglaublich viel passiert. Egal, was Nestlé, Procter & Gamble, Unilever, Monsanto und die ganzen Dreckskonzerne so treiben mögen – es gibt eine ganz nachdenkliche, fortschrittliche Bevölkerungsschicht, die auf einem guten Weg ist. Ich bin da guten Mutes!

X: Herbert Grönemeyer sang schon vor über 30 Jahren: „Kinder an die Macht“ Mit dem waren Sie, glaube ich, mal in einem Ruderklub? Wie kam’s denn dazu?

HJ: Ja, das war bei Blau-Weiss Köln-Poll.
X: Haben Sie noch Kontakt?

X: Na ja, sporadisch und oft eher zufällig ein, zwei Mal im Jahr und dann freuen wir uns immer. Wir haben damals zusammen einen Film gemacht, ich glaube, das war 1986. Und da mussten wir rudern und damit das auch anständig aussieht, sind wir zusammen in einen Ruderklub und so saß ich dann in einem Vierer mit Steuermann mit Herbert Grönemeyer.


X: Woher kommt Ihr Engagement für Tiere und Umwelt, gab’s da ein Schlüsselerlebnis?

HJ: Ein Erlebnis war mit Sicherheit die Sandoz-Katastrophe 1986 in der Schweiz und das damit verbundene große Fischsterben im Rhein. Und das andere war Bayer Leverkusen, das jahrelang seine Dünnsäure im Rhein entsorgt oder in der Nordsee verklappt hat. Und diese beiden Skandale haben mich dann dazu veranlasst, nicht nur einmal im Jahr einen Betrag an Greenpeace zu überweisen, sondern dann doch mehr zu tun. Das war also so eine Kette von Ereignissen in den 80er-Jahren.

X: Dann kam irgendwann dieses starke Engagement für Tiere.

HJ: Na ja, das ist eher so ein Doku-Konzept. Ich bin ja kein Tierschützer. Sondern es war die Frage, wie man so ein Thema am emotionalsten und am besten ins Fernsehen bringt. Und da war es eben am dienlichsten, wenn man eine aussterbende Tierart nimmt und an dieser illustriert, was wir mit der Welt veranstalten. Das mache ich jetzt seit 2006 regelmäßig und wenn das ZDF mich das weitermachen lässt, dann mach ich das auch noch ein paar Jährchen.

X: Wo Sie das mit dem Tierschutz ansprechen: Ich finde das ja auch sehr seltsam, dass es in Deutschland eine große Menge an Tierschützern gibt, die sich um Hunde, Pferde usw. sorgen und da viel Zeit und Engagement aufbringen, sich bei ihren Treffen aber gleichzeitig munter ihr Schnitzel reinschieben. Das geht für mich irgendwie nicht zusammen.

HJ: Das sehe ich ganz genauso und das ist auch meine absolute Schlüsselfrage, wenn ich täglich Anfragen von Tierschützern für gemeinsame Aktionen bekomme: „Sind Sie Fleischesser, ja oder nein?“ Wenn die Antwort ja ist, wird die Aktion abgelehnt. Jemand, der von sich behauptet, Tierschützer zu sein und gleichzeitig Fleisch ist, hat etwas Grundsätzliches nicht verstanden!

X: Sie sind seit über 30 Jahren Vegetarier, also seit einer Zeit, als das noch alles andere als Mode war – was führte zu dieser Entscheidung?

HJ: Ich habe Anfang der 80er aufgehört, Fleisch zu essen. Das sind jetzt dann also schon bald 40 Jahre. Das hat mit einer schlichten Privatsache zu tun: Ich war damals mit einer sehr erfolgreichen Balletttänzerin zusammen, neun Jahre waren wir zusammen, und sie hat in der Zeit sämtliche Diäten der Welt ausprobiert. Irgendwann gab es dann eine vegetarische Phase, die fand ich super und bin dann dabei geblieben, während sie dann irgendwann wieder zu Steak und Salat zurückgekehrt ist. Das hatte zunächst auch gar nicht viel mit Tierschutz zu tun, ich war damals auch noch gar nicht so engagiert am Start, mir ging’s einfach nur so gut dabei. Ich möchte da auch keinesfalls jemanden kritisieren, der das nicht tut – ich habe das für mich so entschieden und sortiere wie gesagt die vielen Anfragen von Tierschützern so aus.

X: Wenn Sie heute die Fee aus dem Märchen treffen würden und die Ihnen drei Wünsche gewähren würde, was würden Sie sich wünschen?

HJ: (überlegt zum ersten Mal im Gespräch länger) Meine Mutter ist Anfang des Jahres verstorben, die hätte ich gerne noch etwas länger um mich gehabt. Ich wäre gerne ein sehr viel besserer Surfer, als ich es bin. Und ich träume davon, irgendwann eine Weltumsegelung zu machen in Meeren, die nicht plastik- und müllverseucht sind.
X: Das mit dem Surfen ist ja sehr naturnah, im direkten Kampf mit den Elementen. Bekannte von mir bezeichnen es als fast schon eine religiöse Erfahrung.

HJ: Da würde ich widersprechen, als religiös würde ich es nicht bezeichnen. Das ist auch weniger ein Sport, das reine Wellenreiten ist schon mehr Philosophie. Das ist auch der einzige Sport, der nicht vom Sportler kontrolliert wird, sondern vom Meer. Und es ist auch ein Sport, bei dem man sich fürchterlich wehtun kann. Meinen schwersten Sportunfall habe ich auch beim Surfen gehabt. Und das ist jetzt kein Sport für jedermann.

X: Wenn ich das recht sehe, müssen Sie im Schauspielbereich nicht mehr alles machen und suchen sich Sachen aus, hinter denen Sie auch voll stehen können. Geld hat als Motivation also ausgedient?

HJ: Da ist was dran. Es gibt vor allem Regisseure, mit denen ich hoffentlich immer wieder drehen werde, also Dominik Graf oder Holger Haase und Thomas Jauch. Und oft kommen dann auch einfach gute Drehbücher, wo man dann Lust hat, mitzumachen. Ich glaube, 2017 habe ich fünf oder sechs Filme gedreht, weil ich einfach so viele gute Bücher auf dem Schreibtisch hatte. Letztes Jahr habe ich dann mehr Dokus als Filme gemacht, weil die Bücher eben nicht so gut waren. Und gerade mache ich eine kanadisch-englisch-französische Serien-Koproduktion namens „Mirage“, die drehe ich jetzt in Marokko und Abu Dhabi. Und dann gibt’s dieses Jahr noch Dokus zum Thema Zugvögel und später Lachse/Zuchtfarmen. Meist ist das Verhältnis zwei Drittel Schauspielerei, ein Drittel Doku. Weil, von Umweltschutz und Dokus kann man nicht leben!

X: Und gibt es vielleicht auch einen Film, in dem Sie am liebsten die Hauptrolle gespielt hätten?

HJ: (überlegt) Der Pate!
X: Da tippe ich aber auf den jungen Paten, also DeNiro und nicht Brando, oder?

HJ: Klar, ich bin totaler DeNiro- und Pacino-Fan. Und auch von allem, was Paul Newman, Robert Redford und Sean Penn gemacht haben. In Sachen Kino bin ich komplett amerikanisch geprägt.


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