Teufelszeug bei 250 km/h: Witz vom Olli

Der 1963 geborene Pforzheimer Oliver Gimber hatte eigentlich gar keine Bühnenkarriere geplant, ist mittlerweile aber regelmäßig in großen Hallen dabei, Menschenmassen zu bespaßen. Der gelernte Maler- und Lackierermeister leitet einen Familienbetrieb und ist aber noch in einem ganz anderen Fach meisterlich unterwegs, nämlich als Witze-Erzähler. Die „Witz vom Olli“-Clips erfreuen sich enormer Beliebtheit, haben im Netz teilweise Klickzahlen von über einer Million und auch auf der Bühne ist der Mann seit einiger Zeit Garant für gute Laune. XAVER hat mit ihm telefoniert und es war ein bisschen, wie bei seinen Clips: Sein charakteristisches, ansteckendes und herzliches Lachen langt oft schon, der Witz selbst ist dann gar nicht mehr so relevant! An sich sollte die Kasse so was als Kassenleistung finanzieren, quasi „Lachen auf Rezept!“

XAVER: Hallo Olli, heute ist Montag, ein harter Tag für viele Leute. Wie siehst du das als Handwerker?

Oliver Gimber: Ich sag mal so, ich bring den Tag immer mit Nervenkitzel in Verbindung, weil man eben nie weiß, was übers Wochenende passiert ist. Da geht’s natürlich um eventuell erkrankte Mitarbeiter aber noch viel mehr um Kunden. Die machen sich übers Wochenende gerne Gedanken, was man vielleicht noch ändern könnte. Und das macht uns immer ganz besonders viel Freude, wenn aus einem geplanten Projekt „Renovierung Wohnzimmer“ übers Wochenende dann plötzlich die ganze Wohnung wird. Oder wir haben Ende der Woche ein Zimmer in einem pastelligen Grünton gestrichen und übers Wochenende fällt dem Kunden dann ein, dass es doch ein heller Grauton sein soll.

X: Halb Deutschland kennt dich durch die „Witz vom Olli“-Clips. Geplant war das ja alles nicht – wie kam es zu deinem Erfolg?

OG: Ja, da muss ich etwas weiter ausholen. 2009 ist mein bester Kumpel, der Wolfi, nach Neuseeland ausgewandert. 2011, als wir dann auch WhatsApp hatten, hat er sich dann gemeldet und gesagt: „Hey Olli, hier in Neuseeland kann keiner einen Witz erzählen, schick mir doch mal ein Video per WhatsApp!“ Das war der Anfang. Dann wurde diese WhatsApp-Gruppe mit der Zeit immer größer; erst waren das ja nur Leute von unserem Stammtisch … Das hat sich dann verselbstständigt und ohne, dass ich die Clips bei YouTube hochgeladen habe, haben das andere Leute gemacht und so kam der Stein ins Rollen. Mein eigenes Profil bei YouTube und Facebook kam dann erst später, weil ich das an sich bis heute eher für Teufelszeug halte. So um 2015 rum ging’s dann los, dass die Presse aufmerksam wurde und erste Anfragen kamen. Ich war jetzt nicht schockiert, aber schon überrascht, was für Kreise das jetzt gezogen hat. Anfang 2016 hat sich dann mein damaliger Manager bei mir gemeldet, um mal zu klären, was da so passieren könnte. Ich habe dann bei einer Veranstaltung für junge Comedians mitgemacht, die sehr gut ankam und nach der mir der Dodokay (Dominik Kuhn, deutscher Comedian, der hauptsächlich für schwäbisch synchronisierte Filmclips bekannt ist – Anmerk. d. Verf.) gesagt hat, was für ein außergewöhnliches „Menschen zum Lachen bringen“-Talent ich da habe. Sein Rat war außerdem, nicht darüber nachzudenken, was den Leuten gefallen könnte, sondern das zu machen, was mir gefällt. Es folgten die ersten beiden Auftritte, quasi um zu testen, wie das denn abendfüllend ankommen würde. Und direkt die erste Show war mit über 700 Leuten ausverkauft. Wir haben dann 2016 noch weitere zehn sehr erfolgreiche Shows gemacht, 2017 waren es dann glaube ich schon 80 Auftritte.
X: Beim erwähnten ersten Liveauftritt 2016 bist du wohl ganz ohne Programm auf die Bühne gegangen. Improvisierst du das live alles?

OG: Bei dieser ersten Show war damals tatsächlich nichts im Vorfeld geplant. Im Rückblick frage ich mich heute, ob das mehr Größenwahn, Dummheit oder Naivität war! (lacht) Wahrscheinlich war’s eine Mischung aus allem. Es gab einen Moment, wo ich vor der Show auf der Bühne stand und die über 700 leeren Stühle gesehen habe. Da habe ich für einen kurzen Augenblick dann so was wie eine Angstattacke bekommen und mich gefragt: „Sammal, bisch du eigentlich noch ganz sauber? Trittsch vor über 700 Leuden auf und hasch kei Comedy-Programm? Wie soll des funktioniera?“ In so einer Art Fluchtreflex bin ich dann vor die Halle raus und habe da Leute getroffen, die teilweise aus der Schweiz und was weiß ich noch woher angereist waren. Ich habe mich mit denen unterhalten und bin dann tatsächlich erst zwei Minuten vor Beginn kurz in die Garderobe, habe mir ein anderes T-Shirt angezogen und bin auf die Bühne. Und das mit den Gesprächen vor der Show habe ich bis heute beibehalten, einfach, weil ich beim Kontakt mit denen erfahre, was die so beschäftigt und das fließt dann später auch in die Show mit ein. Bei dieser ersten Show habe ich nur deswegen gegen 23 Uhr aufgehört, weil der Hallenwart von hinten gewunken hat, weil der nämlich noch nachts für den nächsten Tag umbauen musste.
X: Und das machst du bis heute so: ein dreistündiges Programm ohne jegliches Konzept?

OG: Nee. Bei einer Show unter der Woche will niemand, selbst kein Fan, eine dreistündige Show; die müssen ja am nächsten Tag früh raus und zur Arbeit. Das geht vielleicht mal ausnahmsweise am Wochenende, aber ansonsten versuche ich immer, zwei Blöcke mit je 50 bis 60 Minuten zu machen – unter zwei Stunden komme ich einfach nicht weg! (lacht) Nach der Zeit merkt man dann auch meist, dass sie dann froh sind, wenn sie heimdürfen! (lacht) Aber ich haue an so einem durchschnittlichen Abend auch zwischen 110 und 130 Witzen raus, das ist schon eine hohe Gagdichte.
X: Aber rein technisch, arbeitest du mit Notizen oder nutzt du einen Teleprompter?

OG: Das ist alles im Kopf!
X: Wow, dann können wir demnächst mit Workshops zum Thema Gedächtnistraining von dir rechnen!?

OG: Da ist noch nichts geplant, aber wer weiß, was kommt?!

X: Mittlerweile bereitest du vielen Leuten regelmäßig etwas Kontrastprogramm in ihr Leben – Stichwort Lebensfreude und „Lachen ist gesund!“ Bekommst du eigentlich viel Fanpost?

OG: Ja, und zwar in jedweder Form von der klassischen Postkarte bis hin zu Schokoladen-Päckchen aus der Schweiz. Das meiste sind aber E-Mails und Messenger-Nachrichten, wo mir die Leute einfach schreiben, wie wichtig das in ihrem Alltag ist. Und da kommen viel persönliche Leidens- und Krankheitsgeschichten mit, wo man immer wieder selbst merkt, wie gut es einem eigentlich geht.

X: Andererseits ist der Witz ja auch ein nicht ganz konfliktfreies Terrain, Stichwort „Schwarzer Rettich“. Überdenkst du potenzielle Witze mittlerweile auf die Political Correctness, bevor du sie veröffentlichst?

OG: Ach, es gibt immer wieder mal Sachen, die beim einen oder anderen nicht so prickelnd ankommen. Aber beim „Schwarzen Rettich“-Witz habe ich mich politisch unkorrekt verhalten und mehrfach das Wort „Neger“ benutzt, das ist unentschuldbar. Aber. Ich stehe dazu und habe den auch nicht aus dem Netz genommen. Ich bin nicht Mr. Perfect, habe in der Vergangenheit Fehler gemacht und in der Zukunft sicherlich auch wieder. Heute erzähle ich den Witz, quasi augenzwinkernd, bewusst überzogen politisch korrekt. Der ganze Aufruhr um den Witz hat mich aber auf jeden Fall dazu bewegt, ein Stück weit sensibler mit dem Ganzen umzugehen. Und ich schieße bei den Shows schon schärfer und erzähle zum Beispiel auch Witze über Menschen mit Behinderung. Ich gehe aber vor meinen Shows oft bewusst auf so Leute im Publikum zu und frage sie, ob sie ein Problem mit Witzen in die Richtung haben. Das haben die Wenigsten und meist lachen die Betroffenen später an den Stellen dann am lautesten mit. Meist sind die Leute, diese Hüter des Goldenen Grals und sonstige Moralapostel, keine selbst von einem Witz Betroffenen, sondern halt so Leute, die zum Lachen in den Keller gehen. Ob du also nun Blinde, Einarmige, Rollstuhlfahrer oder was auch immer im Publikum hast, alle eint, dass sie meist ganz normal und eben nicht wie rohe Eier behandelt werden wollen.

X: Für Witze braucht man ja Talent. Gab’s bei dir in der Familie jemanden, der dich beeindruckt hat und von dem du viel gelernt hast?

OG: Ja, natürlich. Das ist eindeutig mein Vater. Er hat meinen Erfolg mit dem Witze-Erzählen leider nicht mehr mitbekommen, weil er vorher gestorben ist, aber mein Vater war einer, der bei Sommerfesten, Familienfeiern und so weiter immer Leute um sich hatte, die ihm begeistert zugehört haben, als er seine Witze erzählt hat. Er hat mir auch erzählt, wie er sich die jeweiligen Witze gemerkt hat, was man sich da für Brücken bauen kann und so weiter. Meine Geschwister sind ganz ähnlich gepolt und ich sage immer, dass es wohl nichts Härteres gibt, als ein Fest bei Gimbers! (lacht)

X: Neben deinem Soloprogramm gibt’s jetzt auch „Punchline – Das ultimative Witzbattle“ mit deinem Kollegen Nizar. Wie läuft so ein Witzbattle ab?

OG: Das ist auf jeden Fall nicht so, dass wir nacheinander einfach unserer Show abziehen, sondern das muss man sich wie einen Boxring vorstellen. Das Bühnenbild ist ein Boxring und wir laufen mit entsprechenden Einlaufhymnen und Namen auf unseren Boxmänteln ein und es gibt Ringrichter, Runden und Nummerngirls. Erste Runde ist dann beispielsweise die Kategorie „Blondinenwitze“. Dann hat jeder pro Runde drei Minuten Zeit, abzuliefern und am Ende entscheidet ein Applausometer, wer die Runde für sich entscheidet. Und auch hier ist viel Spontaneität gefragt, weil wir nur wenig vorher absprechen und man immer auf die Vorlagen vom Gegner reagieren muss. Das Format lebt auch von unseren Unterschieden. Ich bin eher so der „Henry Maske des Boxens“ und er ist eher so der „Junge Wilde“, der ungebremst druffhaut.

X: Viele deiner Clips hast du in deinem Auto aufgenommen. Das ist der Deutschen liebstes Kind, momentan aber auch arg in der Kritik; wie stehst du zu Elektro-Mobilität, Dieselverbot und Tempolimit?

OG: Ich kann das jetzt noch nicht konkreter sagen, aber da zeichnet sich gerade etwas Großes ab und das wird auch im Auto geschehen. Erst hieß es, ich kann mein Auto mitbringen, als ich dann aber gesagt habe, dass ich einen SUV mit einem großen Dieselmotor hab, war das nicht gewünscht. Es wird also von einem Automobilhersteller ein kleiner SUV mit Elektromotor gestellt. An so was sieht man ja auch, wie sensibel das gerade alles ist. Ich persönlich, auch als Unternehmer, muss sagen, dass ich diese Themen wie Greta Thunberg et cetera alle gut und wichtig finde. Was mich nur nachdenklich macht, ist, dass ich persönlich das Gefühl habe, dass wir da an der kleinsten Schraube drehen, während große Themen wie beispielsweise Kreuzfahrtschiffe, Schiffsverkehr im Allgemeinen oder auch unbesteuertes Flugbenzin und das Verschwendungs- und Verschmutzungsverhalten in anderen Ländern viel relevanter für den Klimawandel wären. Zurück zu mir als Unternehmer: Wenn ich als Unternehmer sehe, dass ich ein Problem habe, dann fange ich nicht an, meine Energie an einer kleinen Schraube zu verschwenden, sondern versuche, schnell eine deutliche Verbesserung zu erreichen – und da bieten sich dann eher die großen Schrauben an!
X: Und wie stehst du zum Tempolimit?

OG: Ganz ehrlich? Es ist doch eh so viel Verkehr… Wenn ich in letzter Zeit häufiger nach Köln gefahren bin, und wenn ich da zwei, drei Mal kurz über 250 km/h gefahren bin, weil die Straße frei war, dann habe ich schon Glück gehabt. Mir ist da zu viel Hysterie im Spiel.


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