Schubart- Literaturpreis 2023
22.und 23.04., Aalen, KubAA

Die Stadt Aalen verleiht den Schubart-Literaturpreis seit 1956 in zweijährigem Turnus. Ausgezeichnet werden herausragende literarische Leistungen in der Tradition des freiheitlichen und aufklärerischen Denkens von Christian Friedrich Daniel Schubart (1739 – 1791). Der Literat, Journalist und Komponist verbrachte seine Jugendjahre in der damaligen Reichsstadt Aalen. Sein Lebenswerk war die Herausgabe der Deutschen Chronik, einer zweimal wöchentlich erscheinenden Zeitung voller literarischer, kultureller und tagespolitischer Berichte.
Trägerin des Schubart-Literaturpreises 2023 der Stadt Aalen ist Julia Schoch (Foto, C: Ulrich Burkhardt). Die Schriftstellerin erhält den mit 20.000 Euro dotierten Literaturpreis für ihren im dtv-Verlag erschienenen Roman „Das Vorkommnis“. Mit dem Schubart-Förderpreis der Kreissparkasse Ostalb, der mit 7.500 Euro dotiert ist, wird Slata Roschal für ihr Debüt „153 Formen des Nichtseins“ ausgezeichnet.
Der Jury gehörten die Literaturkritikerin und Publizistin Verena Auffermann, die Literaturkritikerin und Literaturredakteurin des rbb, Anne-Dore Krohn, der Literaturkritiker und Übersetzer Denis Scheck, Köln, Dr. Stefan Kister, Kulturredakteur der Stuttgarter Zeitung, der Stuttgarter Kulturwissenschaftler Dr. Michael Kienzle und aus Aalen Oberstudiendirektor a.D. Michael Weiler an.
Die prämierten Romane Julia Schoch fällt in „Das Vorkommnis“ elegant und absichtlich gleich mit der Tür ins Haus. Schon im ersten Absatz sagt eine Frau zur Ich-Erzählerin: „Wir haben übrigens denselben Vater“. Ein erzählerisch genialer Anfang:
Alles, was danach kommt, ist eine nachdenkliche und kluge Selbstbefragung über Erinnerung und die Konstruktion eines Lebens. Es geht Schoch nicht darum, herauszufinden, ob die Frau wirklich ihre Halbschwester ist, sondern um das, was ihr Auftauchen ins Wanken bringt - die vermeintlichen Gewissheiten oder gar Wahrheiten. Schreibend, reflektierend, analysierend versucht sie zu verstehen, warum das Auftauchen so einschneidend war. „Ich hatte Lust, in den Keller zu steigen und etwas zu ergründen, das mir selbst noch unklar war“, schreibt sie. In kurzen Abschnitten stellt die Autorin Gedanken und Fragen in den Raum, ehrlich, dringlich und zutiefst menschlich. Damit regt Schoch dazu an, selbst zu reflektieren und das vermeintlich Wahre von Familiengeschichten in Frage zu stellen.
Überzeugt hat die Jury auch Slota Roschals Roman „153 Formen des Nichtseins“. In ihrem Romandebüt bildet die in Sankt Petersburg geborene Schriftstellerin das Aufwachsen einer Gemeinschaft ab, in der zur russischjüdischen Herkunft noch die Zugehörigkeit zu einem Reich kommt, das nicht von dieser Welt ist: den Zeugen Jehovas. Sie erzählt von dem schmerzhaften Emanzipationsprozess einer jungen Frau, in dem sie sammelt, von was dieses Leben umstellt ist: Listen, E-Mails, Notizen, kleine und größere Szenen, Zitate - eben „153 Formen des Nichtseins“. Der Roman dokumentiert den mühsamen und radikalen Ablösungs- und Befreiungsprozess von den Gewissheiten und Vereinnahmungen religiöser und politischer Indoktrination. Und doch wahrt die Autorin immer eine Distanz gegenüber allzu sprungbereiten Urteilen. „Während es gerade überall um die Frage von Identitäten geht, hat Slata Roschal ein Buch geschrieben, das zeigt, wie sehr wir aus dem zusammengesetzt sind, was wir nicht sind“, begründet die Jury ihre Entscheidung.
Die Preisübergabe und Lesung
Die festliche Preisübergabe ist am Samstag, 22. April um 18 Uhr im Kulturbahnhof Aalen. Anne-Dore Krohn wird die Laudatio auf Julia Schoch halten, Dr. Stefan Kister wird beim Festakt die Förderpreisträgerin Slata Roschal würdigen.
Am Sonntagvormittag, 23. April lesen die beiden Preisträgerinnen um 11 Uhr im KUBAA aus ihren preisgekrönten Romanen.
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