Relativer Eierlikör: Nathaniel Rateliff & The Night Sweats
Nathaniel Rateliff wurde 1978 in einem kleinen Dorf in Missouri geboren. Bereits mit sieben Jahren konnte er Schlagzeug spielen und brachte sich dann später selbst das Gitarrespielen bei. Nach harten und relativ brotlosen Jahren als Singer-Songwriter in denen er sich als LKW-Fahrer und Gärtner mühsam über Wasser hielt, gelang ihm 2013 mit seiner Band Nathaniel Rateliff & The Night Sweats der Durchbruch. In München fällt an diesem ersten Sonntag im November der erste Schnee, Nathaniel Rateliff (NR) ist trotzdem gut gelaunt, denn einerseits mag er Schnee und andererseits genießt er mit seiner Band die Aufmerksamkeit, die ihm gerade entgegengebracht wird. Jedes der vier angesetzten Deutschlandkonzerte ist bereits Wochen vorher ausverkauft – obwohl die Shows bereits von den ursprünglich gebuchten Clubs in größere Venues hochverlegt wurden. Spontan setzt sich noch der Bassist der Combo, Joseph Pope III (JP) dazu…
NR: Nein, gar nicht. Das ist immer wie eine Art Therapiesitzung – nur muss ich nicht dafür zahlen! (lacht) Joe, magst Du Dich dazu setzen?
JP: Ja, klar.
NR: Tom, das ist Joseph, wir sind zusammen aufgewachsen und machen mittlerweile über 20 Jahre gemeinsam Musik.
NR: Mittlerweile ist das schon nah an der Familie. Wir zwei machen das jetzt schon so lange zusammen, in verschiedenen Bands und Konstellationen. Auch als wir noch eher im Singer-Songwriter/Americana-Bereich zu Hause waren.
NR: Ich weiß gar nicht… ich fand das nur irgendwie cool. Wir werden die EP aber sonst nur auf Vinyl und nicht auf CD veröffentlichen.
JP: Das kann sein, in ein paar Ländern wird sie wohl auch auf CD veröffentlicht. In den USA ist es aber mittlerweile wirklich so, dass sich die Leute ihre Songs auf ihre digitalen Abspielgeräte ziehen und die CDs dann nie wieder in die Hand nehmen…
JP: Stimmt, die sind ein perfektes Medium für Kleinkinder um den Umgang mit Musik zu lernen. Meine Frau versucht zu Hause wohl gerade unserem zweieinhalb-jährigen Sohn zu vermitteln, wie man eine Vinyl-Schallplatte behandelt… da wird viel zu Bruch gehen bzw. zerkratzt werden! (lacht)
NR: Das stimmt. Meine Eltern waren sehr christlich, meine Mutter schrieb sogar Songs für die Kirche und wir haben regelmäßig dort gespielt und gesungen. Meine Kindheit bestand also zum größten Teil aus christlicher Musik. Eines Tages fand ich dann aber in der Garage eine Led Zeppelin-Kassette und war völlig überwältigt.
NR: (lacht) Wir werden wohl nicht in die Richtung weitermachen! Da steckte jetzt auch kein großer Plan oder Ernst dahinter, ich fand es einfach nur lustig.
NR: Ja, das war auch zunächst der Plan, aber ich mochte das Bild nicht; ich habe einfach keinen Arsch in der Hose!
NR: Drei Songs sind nagelneu, die wir mit unserem Schlagzeuger aufgenommen haben – quasi in seinem Wohnzimmer. Drei hatten wir noch in der Schublade und ein Song wurde live mitgeschnitten. Wir haben das Material dann vom selben Mischer abmischen lassen, der auch das Debut gemacht hat, so dass da eine Verbindung entsteht.
NR: Nein, das ist schwierig. Ich skizziere ständig Sachen, nehme die dann auch mit dem Smartphone auf usw.; und wir spielen beim Soundcheck hier und da mit neuen Songideen herum. Ausgearbeitet wird das dann aber erst daheim.
NR: Ich weiß gar nicht. Wir haben im Januar/Februar erst einmal frei und das ist dann die erste lange Pause, die wir seit Mai 2015 haben. Und ich weiß nicht, ob ich mich da dann gleich hinsetze und am neuen Material arbeite. Und es ist auch ein gewisser Druck im Raum. Wir haben ja nie erwartet, dass das Album so erfolgreich sein würde und ich will da auch gar nichts erzwingen, nur um schnell nachzulegen. Das Album ist so gut geworden, weil wir machen konnten, was und wie wir es wollten. Und uns dafür auch so viel Zeit nehmen konnten, wie wir für richtig hielten. Und ich denke, so wird das mit dem nächsten Album wieder laufen.
NR: Doch, ich habe Material für ein Soloalbum – wenn man das denn so nennen will. Wann das veröffentlicht wird weiß ich nicht, ich werde es aber auf jeden Fall aufnehmen. Aber schauen wir mal, im Moment steht das neue Album mit „The Night Sweats“ an erster Stelle.
NR: Oh ja, das war die Show in Hamburg, die werden wir nie vergessen!
NR: Das war unser Eierlikör-Erstkontakt – so etwas vergisst man nicht!
JP: Ich habe bei der Köln-Show mit jemandem aus ihrem Team gesprochen, welcher gesagt hat, dass selbst bei den Wiederholungen der Show immer noch viel positive Reaktion auf uns kommt und das merk man dann auch bei den iTunes-Zugriffen.
NR: Das war aber auf jeden Fall ein unvergesslicher TV-Auftritt, auch weil das ja nur so eine winzige Kneipe ist, in der sie das drehen – und wir waren da mit sieben Mann und es hat irgendwie geklappt.
NR: Ach, das ist in den USA nicht anders – nur passiert das da eben abseits der Kameras und backstage. Das war definitiv nicht das erste Mal, dass wir angetrunken im Fernsehen waren! (lacht)
NR: Nein, bestimmt nicht. (lacht) Wir haben da auch gerade gestern drüber rumgealbert, denn ausverkaufte Touren und tolle Verkaufszahlen hin oder her, ich bin immer noch genauso kaputt wie vor dem Erfolg.
JP: Wir hatten aber auf jeden Fall ein fantastisches Jahr mit dem Album. Und auch die Tour, auf der wir uns jetzt seit Monaten befinden und die bald ihren Abschluss finden wird, ist unfassbar gut gelaufen – was wir so nie erwartet hätten. Wir sind sehr dankbar für das alles und unser Leben hat sich dadurch völlig verändert. Aber das ändert ja nichts daran, dass die Welt immer noch ziemlich kaputt ist und auch in unserem persönlichen Umfeld weiterhin schlimme Sachen passieren, wie z.B. der Tod von Freunden usw. Es ist eben alles immer relativ!
NR: (lacht) Du hast das Bild bei Facebook gesehen, wo ich mit Matthew Logan Vasquez in der Wanne sitze? Ich habe mir sogar hier und da ein Zimmer mit ihm geteilt, wir kennen uns so ewig, das macht mir gar nichts aus. Aber normalerweise baden wir natürlich nicht zusammen!
NR: Ne, das waren eher beschissene Zeiten. Wobei ich nur ganz selten völlig alleine unterwegs war. Aber es war einfach hart, wir schliefen zu fünft in einem Hotelzimmer oder bei Bekannten auf dem Boden. Gut geschlafen hat man selten, trotzdem musste einer den Van zur nächsten Show fahren. Das ist auch einer der Vorteile, wir fahren nachts mit dem Bus und wachen morgens schon in der Stadt auf, in der die Show stattfindet. So hat man auch noch Zeit sich dort etwas umzuschauen. Heute waren wir natürlich in einer Münchner Kneipe und haben von Eurem fantastischen Bier gekostet.
JP: Das ist auch wieder ein Vorteil vom Reisen im Tourbus. Wir können viel miteinander abhängen, uns unterhalten, einen Film schauen usw. Musik hören ist eher etwas Privates, das man in der Koje mit Kopfhörern macht. Aber wir finden alle „The Party“ von Andy Shauf toll; das ist ein Kanadier.
NR: Gotische Architektur mag ich tatsächlich sehr gern! Und da ist Deutschland natürlich ideal…
NR: Ja, klar. Sehr beeindruckend.
NR: Ich auch nicht! (was natürlich ein Verweis auf seine überchristliche Kindheit ist – Anmerk. d. Verf.)
NR: Die haben eine Menge Leute dazu gebracht ihnen beeindruckende Bauten ohne Bezahlung hinzustellen! (lacht)
JP: Und dann noch der schlaue Move mit der Musik. Die Orgel und Chöre in solchen Räumen… kein Wunder, dass das mit der Gottesfürchtigkeit so gut geklappt hat; an solchen Orten fühlt man sich winzig.
NR: Harte Zeiten dauern, ob nun in Beziehungen, der Familie oder wo auch immer, nicht für ewig. Wie schlimm es auch immer sein mag, irgendwann ist es vorbei und man hat es hinter sich und im Bestfall sogar etwas dabei gelernt.
JP: Das ist wohl auch der große Motor in allen künstlerischen Disziplinen, wenn man nichts hätte, woran man leidet, was einen quält, an dem man sich reiben könnte, dann wären wohl viele wunderschöne Sachen nie entstanden.
NR: Ich bin jetzt zehn Jahre mit meiner Frau zusammen und in der Zeit waren wir meistens getrennt voneinander.
JP: Klar, aber umso frustrierender ist es dann, wenn das WLAN im Club nicht funktioniert. Wenn man es nicht erwartet hätte, wäre es nicht so frustrierend gewesen… da sind wir wieder beim Thema „alles ist relativ“!
NR: Ich weiß, dass darüber geredet wird, aber noch hat mir niemand etwas Konkretes gesagt, also warten wir es mal ab. Deutschland war ja auch schon gut zu uns, als wir noch als Singer-Songwriter unterwegs waren.
NR: Die meisten schon, aber ein paar standen auf der jetzigen Tour auch mit verschränkten Armen und grimmigem Blick vor uns!