"Willst du wirklich der Konsum-Idiot sein?" Werner Boote

Die meisten Filmemacher kennt man nur vom Namen her – Werner Boote könnten Sie auch schon mal gesehen haben. Ganz sicher sogar, wenn Sie einen seiner Kinofilme gesehen haben. Er macht nämlich nicht nur Filme, er ist auch Teil dieser Filme – er dokumentiert sich sozusagen selbst beim Dokumentarfilmdrehen. Die Themen, die er behandelt, sind groß: das Plastikzeitalter und seine Folgen für Mensch und Umwelt („Plastic Planet“), das Horrorszenario Überbevölkerung („Population Boom“), die Selbstverständlichkeit der Überwachung („Alles unter Kontrolle“) und zuletzt die Öko-Lügen der Konzerne („The Green Lie“/„Die grüne Lüge“). Die Antworten, die er filmend findet: erschreckend, ernüchternd, aufrüttelnd. Das Lachen hat er trotzdem nicht verlernt und beantwortet gut gelaunt unsere Fragen.

XAVER: Angefangen haben Sie mit Musikvideos – wie kam es, dass Sie dann zum investigativen Dokumentarfilmer geworden sind? Gab es da einen konkreten Auslöser, ein Erlebnis, das dazu führte, dass Sie sich verstärkt mit Umwelt- und Gesellschaftsthemen auseinandersetzen wollten?

Werner Boote: Na ja, ich wehre mich eigentlich grundsätzlich ein wenig gegen diese „Schubladisierung“. Am Anfang war ich „Kabelhalter“ – also der, der dem Kameramann das Kabel hält, damit er nicht darüberfällt. Danach habe ich alle möglichen Stationen durchlaufen: Ich war Beleuchter, Kameraassistent, Kameramann, Produktionsleiter, Aufnahmeleiter, Regieassistent und so weiter… Dann war ich der Imagefilmer, weil ich viele Industriefilme gedreht habe. Dann habe ich Musikvideos gemacht – eine neue Schublade also. Immer wieder wird man in eine Schublade hineingesteckt. Ich verstehe, dass den Leuten das Kategorisieren hilft, aber man muss sich daran gewöhnen, dass ich eben von der einen in die andere Schublade springe. Jetzt bin ich eben in der Schublade „investigativer Umweltdokumentarfilmer“. Meinen allerersten Dokumentarfilm habe ich aber schon vor „Plastic Planet“ gemacht – das war ein Fernsehfilm für den ORF und ich habe anonyme Morddrohungen erhalten. Das fand ich damals unangenehm. Also habe ich erst mal Musikvideos gemacht.
In der Zeitung bin ich damals dann auf einen kleinen Artikel gestoßen, in dem stand, dass sich Fische in einem Fluss in England, bei Devon, nicht mehr fortpflanzen können, weil dort die plastikverarbeitende Industrie eine gewisse Substanz über das Abwasser hineinlässt. Da dachte ich mir: Das kann doch nicht sein, dass das stimmt mit dem Plastik. Und wenn das stimmt, hat das dann nur was mit den Fischen zu tun? Wahrscheinlich war dieser Artikel der Auslöser für dieses investigative Umweltdokumentarfilm-Wesen Boote. Er hat mich hellhörig gemacht. In der Folge habe ich alles gesammelt, was mit Plastik zu tun hatte – und habe dann 2009 „Plastic Planet“ ins Kino gebracht. Da rede ich aber von zehn Jahren Arbeit. 1999 erschien nämlich dieser winzige Zeitungsartikel und ich habe mich maßlos geärgert, dass der so wahnsinnig klein war, während überall in der ganzen Zeitung geschrieben stand, wie toll Kunststoffe sind. Ich wollte dem auf den Grund gehen. So kam das vielleicht.

X: Finden Sie es wichtig, dass der Macher eines Dokumentarfilms selbst im Film auftaucht, damit man ihm sozusagen direkt über die Schulter schauen kann? So wie das bei Ihren Filmen der Fall ist – man kann Sie ja quasi begleiten auf der Suche nach Antworten.

WB: Keine Ahnung, ob das wichtig ist oder nicht… Bei mir hat sich das so ergeben, als ich draufgekommen bin, dass ich eine Geschichte am besten so erzählen kann, wie ich sie selbst erlebe und entdecke. Ich will den Zuschauern dadurch die Möglichkeit geben, mit mir zu entdecken, was da abgegangen ist.
Jeder Film hat ja etwas Subjektives – schon allein das Aufstellen der Kamera ist eine subjektive Handlung und keine objektive, weil ich sie zu dem Zeitpunkt dort hinstelle und in diese Richtung zeigen lasse und in diesem Moment einschalte. Diese Subjektivität muss man annehmen. Und dann ist es für mich einfacher, direkt zu sagen: „So ist es! Das ist meine Entdeckung! Komm mit mir mit und schau dir an, was da für ein Wahnsinn abgeht.“

X: In Ihrem aktuellen Film „Die grüne Lüge“ haben Sie sogar noch eine Filmpartnerin mit dabei bei Ihrer Suche – Kathrin Hartmann – und man kann Ihnen beiden dann beim Diskutieren zugucken, zuhören. Warum haben Sie sich für dieses Format entschieden?

WB: Stimmt, bei „Die grüne Lüge“ bin ich dann noch ein Stück weiter gegangen und hatte sogar eine Filmpartnerin. Das habe ich bewusst entschieden! Mir ist es auf die Nerven gegangen, dass ich im Dokumentarfilm viele meiner Gedanken oder Erklärungen als Sprecher aus dem unsichtbaren Off sagen muss und das Publikum diese Off-Sätze aber nie so emotional empfindet und dann nie so mit nach Hause nimmt. Das ist, glaube ich, auch der Grund, warum Spielfilme so gut funktionieren – weil alles Gesagte sichtbar ist und die Personen sichtbar sind. Mit meiner Filmpartnerin konnte ich einen Schritt hin zur Spielfilmästhetik machen, weil die Dialoge direkt vor der Kamera stattfinden und dadurch noch eindringlicher sind fürs Publikum. Da ist nicht einfach nur irgendeine Sprecherstimme, die einem ins Ohr dröhnt. Da sind Personen, die miteinander reden. Das ist lebendig, auch witzig und vor allem emotional.

X: Ich kann mich noch an den Tag erinnern, als mein Chef ins Büro kam und von seinem Kinobesuch am Tag zuvor erzählte – er hatte sich eben diesen Film, „Die grüne Lüge“, angeschaut. Die Bilder vom abgefackelten Regenwald hatten sich ihm eingebrannt und er wollte nie wieder Nutella essen. Sie müssen dazu wissen, dass er zu jenen Menschen zählt, die Nutella nicht nur aufs Brot schmieren, sondern sogar aus dem Glas löffeln. Wie haben sich Ihre Filme, speziell „Plastic Planet“ und „Die grüne Lüge“, auf ihr persönliches Konsumverhalten ausgewirkt? Man will dann ja irgendwie gar nichts mehr kaufen…

WB: Kein Film, den ich mache, geht spurlos an mir vorbei. Schon während der jeweiligen Produktion beginne ich, mein Konsumverhalten und mein Verhalten generell zu ändern. Das ist auch die Freude, die ich mit dem Filmemachen habe – dass ich quasi immer wieder aufs Neue Lebensqualitäten oder neue Wege entdecke.
Im Rahmen der „Plastic Planet“-Produktion habe ich beispielsweise eine Studie darüber gelesen, dass mit längerem, häufigerem Gebrauch von Plastik auch immer mehr Schadstoffe aus dem Kunststoff gelöst werden. Vor meinem Computer hatte ich bis dahin eine Plastiktrinkflasche stehen, die ich immer wieder mit Leitungswasser befüllt habe. Die Flasche habe ich dann natürlich gleich gewechselt – habe systematisch damit begonnen, das Plastik in meinem Leben zu erkennen und durch plastikfreie Alternativen zu ersetzen.
Aus einer Plastikflasche habe ich schon ewig nicht mehr getrunken. Auch in Restaurants und Bars achte ich darauf. Schließlich geht es da ja nicht nur um den umweltschonenden Aspekt – wenn man von Plastik redet, redet man immer auch von Substanzen, die krebserregend sind, die Herzerkrankungen hervorrufen und unfruchtbar machen und vieles weitere mehr. Für den Film „Plastic Planet“ habe ich damals mein Blutplasma testen lassen, was ich vor nicht allzu langer Zeit wiederholt habe. Die Untersuchung hat tatsächlich ergeben, dass ich durch die Umstellung meiner Lebensgewohnheiten, also durch das Verweigern von Plastik, das Plastik in meinem Blutplasma deutlich reduzieren konnte. Zwar nicht auf Null – das geht auch gar nicht, weil man trotzdem ständig irgendwie mit Plastik in Kontakt ist, etwa durch die ganzen Plastikkabel, von denen man im Filmgeschäft unweigerlich umgeben ist – aber der Wert ist deutlich runtergegangen. Ein positiver Aspekt für meine Gesundheit also.
Durch den Film „Alles unter Kontrolle“, der leider ein bisschen untergegangen ist, weil mir Edward Snowden zuvorkam, habe ich natürlich meine ganzen Daten gecheckt und achte da seither sehr drauf. Mit „Die grüne Lüge“ hat sich mein Fokus wiederum auf mein Konsumverhalten gerichtet. Das fing an bei den „Manner-Schnitten“, die wir für zwischendurch im Büro liegen hatten. Seit 2009 werden die mit Palmöl hergestellt – ist für den Hersteller natürlich billiger. Aber auch da reden wir nicht nur von einem Umweltaspekt, denn das raffinierte Palmöl ist laut einer Studie, die es seit Kurzem gibt, krebserregend…
Für mich persönlich sehe ich die größte Entwicklung und den größten Lerneffekt der „Grünen Lüge“ darin, dass ich mich seither nicht mehr als Konsument bezeichnen lassen möchte. Ich finde, wir müssen von diesem „Du bist ein Konsument!“ wegkommen. Wir sind keine Konsumenten – ein Konsument ist ein Wesen, das nichts anderes im Kopf hat oder dessen einzige Aufgabe darin besteht, zu konsumieren. Wir sind aber mündige Bürgerinnen und Bürger und als solche haben wir eine Verantwortung dafür, was wir kaufen. Wir haben aber auch Rechte! Etwa das Recht einzufordern, dass keine Produkte hergestellt werden dürfen, die die Umwelt systematisch zerstören. Die dafür sorgen, dass Menschen das Trinkwasser, das Land oder sogar das Leben genommen wird.
Diese Wandlung vom Konsumenten hin zum mündigen Bürger, die ich im Laufe der Filmproduktion durchgemacht habe, ist eine, die ich mir für viele wünschen würde, die einfach so die Werbung über sich hinwegrieseln lassen. Das ist in der „Grünen Lüge“ die versteckte Botschaft: Willst du wirklich der Konsum-Idiot sein? Wir sind doch bitte zu mehr fähig! Und wir haben nicht nur das Recht, sondern auch die gesellschaftliche Verpflichtung, etwas zu tun und unsere Rechte einzufordern. Das bedeutet wiederum politisches Engagement: Reden am Frühstückstisch, am Stammtisch, mit Freunden, mit Unbekannten, die man neu kennenlernt, bis hin zu Petitionen unterschreiben und Demonstrieren und die Meinung kundtun! Für eine bessere Zukunft.

X: „Die grüne Lüge“ beschäftigt sich mit sogenanntem Greenwashing, also damit, dass Firmen ihre Produkte „grüner“ darstellen, als sie tatsächlich sind. Für uns Verbraucher ist das aber alles reichlich undurchsichtig – was also tun, wenn kein Verlass ist auf das, was auf der Packung steht? Was sollen wir konsumieren?

WB: Sie hängen an dem Wort „Konsument“, merke ich (lacht). Natürlich muss man einkaufen, das ist mir schon klar. Aber dazu muss man eben auch sein Hirn einschalten, sich informieren und schauen, dass man Produkte wählt, die einerseits umweltschonend sind und andererseits nicht der eigenen Gesundheit schaden. Damit fallen sehr viele Produkte vieler Firmen weg. Natürlich kann ich das nicht bis zum Exzess betreiben, weil Produkte so komplex hergestellt werden. Der Einzelne kann auch nicht Experte in allen möglichen Bereichen sein. Deswegen gehört es dazu, sich politisch zu engagieren und auf seine Rechte zu bestehen, sodass Regierungen dazu angehalten werden, Produkte zu verbieten, die an der systematischen Zerstörung der Umwelt beteiligt sind und unsere Gesundheit schädigen. Die Ideallösung wäre, am Supermarktregal zu stehen und nur noch die Wahl zwischen umweltfreundlichen Produkten zu haben. Aber dazu müssen wir einen Schritt weitergehen und unser derzeitiges System ansehen, in dem die Rechte der Menschen und die Rechte der Natur zweitrangig sind und verfassungsmäßig immer nur Bekenntnisse sind.

X: Es muss also ein Sturz des kapitalistischen Systems her? Wie realistisch erscheint Ihnen dieses Szenario?

WB: Es kann nicht so weitergehen, dass Profit und Wirtschaftswachstum an erster Stelle stehen. Wir müssen ein System finden, das global die Rechte von Natur und Menschen an die erste Stelle stellt und demokratisch ist. Das ist etwas, das man erarbeiten muss – da muss man an die Basis gehen. Das wäre eine neue Wirtschaftsordnung. Früher gab es kein Frauenwahlrecht, heute gibt es das. Wir entwickeln uns ja weiter. Und das ist eben jetzt der Moment, in dem wir erkennen, dass wir einem Umweltkollaps entgegenrennen, wenn wir so weitermachen. Das müssen wir ändern und das ist nicht so wild. Das Problem ist, dass es viele Profiteure gibt, die am Alten festhalten. Aber früher hat es ja auch Menschen gegeben, die daran festgehalten haben, dass Frauen nicht wählen dürfen oder dass Schwarze Sklaven sein sollen.

X: 2009 flimmerte „Plastic Planet“ erstmals über die Kinoleinwände dieser Welt. Ab 2021 wird der Verkauf bestimmter Plastikprodukte in der EU verboten sein. Wie finden Sie das? Hat lang gedauert, oder?

WB: Man sieht ja, dass bei den Regierungen die Prozesse noch länger dauern, als bei der Einzelperson, weil da eben eine starke Wirtschaftslobby, in dem Fall die Plastiklobby, aktiv ist. Ich habe bei „Plastic Planet“ eigentlich gedacht: Wenn keiner mehr Plastik einkauft, wird es kein Plastik mehr geben. Dann bin ich aber draufgekommen, dass es so auch nicht funktioniert. Natürlich ist ein bewusster Einkauf essenziell für uns selbst und für die Gesellschaft. Aber die Industrie macht Profit mit Plastik und es gibt viele Produkte, die es ohne Plastik nicht mehr gibt. Deswegen werden wir mit einem bewussten Konsum weder den Planeten noch uns retten. Sondern wir machen nichts anderes, als die Konzerne zu unterstützen. Und es muss einfach politisches Engagement geben. Ich sehe die Entwicklungen mit Blick auf das Plastik kurzfristig als dramatisch! Jeder kennt die Bilder vom Plastikmüll in Ozeanen und von Tieren mit Plastikmüll im Bauch. Durch die gesteigerte Aufmerksamkeit für ein Thema in der Bevölkerung werden auch die Politikerinnen und Politiker aufgefordert, Regulierungen zu beschließen.
2009 haben wir beispielsweise die Studie herausgegeben, dass aus den Babyschnullern und -flaschen eine hormonwirksame Substanz austritt, die die Babys abbekommen. Aufgrund dieser Studie sind in Deutschland die Schnuller vom Markt genommen worden; seit 2011 sind diese Produkte EU-weit verboten – es gab also schon ein paar kleine Schritte und das Einwegplastikverbot ist nicht der erste Schritt. Aber ein sehr wichtiger! Gleichzeitig wird die Plastikflaschen-Flut nicht reguliert – da muss auch dringend ein Verbot her. Wir müssen außerdem Initiativen erarbeiten, wie wir mit den ganzen Plastiktextilien umgehen. Jeder Fleecepullover, den man in der Waschmaschine wäscht, gibt pro Waschvorgang bis zu 1.900 kleine Plastikfasern ab, die weder von Waschmaschinen noch von Kläranlagen gefiltert werden und ins Grundwasser gelangen. Die bekommen wir auch ab. Ein Mikroplastikverbot ist längst fällig. Da muss der Druck auf die Entscheidungsträgerinnen und – träger noch drastischer erhöht werden.

X: Erst gestern hatte ich ein Gespräch mit einer Schülerin, die sich ganz aktiv an der „Fridays for Future“-Bewegung beteiligt. Was halten Sie davon? Macht Ihnen das Hoffnung, das die jungen Leute sich da so einsetzen?

WB: Ja, das macht mir definitiv Hoffnung. Ich verfolge diese Bewegung seit Monaten mit viel Dankbarkeit und Respekt, weil es eine sehr kraftvolle ist. Der Druck, den die Schülerinnen und Schüler ausüben, ist schon ein sehr beachtlicher. Aber den muss man noch erhöhen und in weiterer Folge erarbeiten, wie dieser Systemwandel vor sich geht. Das geht in erster Linie mit verfassungsrechtlichen Schritten. Umweltschutz darf nicht bloß ein verfassungsrechtliches Bekenntnis bleiben – er muss einklagbar sein. Diese Forderung gibt es bereits seit 40, 50 Jahren; in den 1970er war das auch schon Thema. Jetzt sind wir aber an dem Punkt, wo uns das System in den Abgrund rennen lässt Richtung Komplettvernichtung der Natur. Hallo?! Wir müssen etwas ändern und etwas nachschrauben! Das bedeutet auch, dass diese grünen Lügen, die uns die Industrie jahrelang erzählt und in Perfektion ausgearbeitet hat, ein Ende nehmen müssen.

X: Auf die Straße gehen, demonstrieren, laut sein – in Ihrem aktuellen Film geben Sie eingangs zu, dass das so gar nicht Ihre Sache sei. Am Ende sieht man Sie dann doch bei einer Demo mitmarschieren…

WB: War das ein Filmgag oder war das echt, fragen Sie sich? Was haben Sie denn heute Abend vor? Da bin ich nämlich auf der „Parents for Future“-Demo in Wien (lacht).
Als Dokumentarfilmer habe ich gelernt, dass der Film am besten funktioniert, wenn ich dem Publikum gegenüber einfach stinkeehrlich bin. Das heißt, Hose runterziehen und auch Szenen verkraften, in denen ich absolut bescheuert rüberkomme. Dann funktioniert für mich der Dokumentarfilm am besten! Wenn ich nichts verschweige oder vertusche, sondern einfach erzähle, was mir begegnet. Ich weiß nicht, warum, vielleicht, weil ich in dem Film die Identifikationsperson bin. Es funktioniert nur, wenn ich keine Peinlichkeit und keinen Dummsinn scheue. Man muss alles aussprechen, wie es ist. Und dann ist der Dokumentarfilm am ehesten dort, wo ich hinwill und dann, denke ich, kommt er auch am besten an.

X: Bestimmt arbeiten Sie schon an Ihrem nächsten Projekt. Können Sie etwas dazu verraten? Welchem Thema widmen Sie sich?

WB: Es wird ein Film (lacht). Aber ich gackere nicht so gerne über ungelegte Eier. Das liegt vor allem auch an meiner Art des Filmemachens… Oft erkenne ich erst am Ende, was das eigentlich für ein Film geworden ist, den wir da produziert haben. Bei „Plastic Planet“ zum Beispiel sollte ich am letzten Tag im Tonstudio noch den Schlusssatz einsprechen – und war ziemlich ratlos. Ich höre noch heute die Stimme meines Kollegen: „Bitte! Jetzt arbeitest du seit zehn Jahren an diesem Projekt – jetzt sag’ doch endlich, dass Plastik gefährlich ist!“ Oder bei „Population Boom“: Da bin ich gestartet für einen Film, in dem gezeigt werden sollte, was man tun soll, weil es so viele Menschen auf der Welt gibt, die eben Plastikmüll verursachen. Und während der Arbeit bin ich draufgekommen, dass das ein großer Mythos ist, der uns da erzählt wird. Dann habe ich den ganzen Film umgedreht.
Bei jedem Film entwickelt sich erst, worum es eigentlich geht und was wirklich die Frage ist – weil es Filme sind, bei denen ich ja auch was lerne. Dadurch, dass ich da drin bin, mache ich selber einen Lernprozess durch. Und erst zum Schluss kann ich sagen, was ich gelernt habe. Ich bin jedenfalls schon sehr gespannt auf das nächste Projekt…


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