Extreme Höhen und verdammt derbe Tiefen: Jamey Jasta von Hatebreed

Geboren wurde James Shanahan 1977 in New Haven, Connecticut. Unter dem Namen Jamey Jasta ist er heute Millionen von Metal- und Hardcorefans als Sänger der amerikanischen Band Hatebreed bekannt. Nachdem er eine Zeit lang Roadie bei Integrity war gründete er 1994 in New York Hatebreed, die seitdem zu einer der wichtigsten und größten Bands der Szene geworden sind. Jasta ist ein enorm umtriebiger Mann, hat diverse andere Bands, eine eigene Plattenfirma, moderierte Fernsehsendungen und Preisverleihungen. Im November spielt er mit Hatebreed nur zwei Shows, eine davon in Schwäbisch Hall. XAVER hatte beim Summer Breeze-Festival, bei dem Hatebreed einer der Headliner war, die Gelegenheit zum ausführlichen 4-Augen-Gespräch. Jasta zeigte sich überraschend sensibel, humorvoll und aufgeschlossen und wusste so einiges Interessantes zu berichten.

XAVER: Hallo Jamey! Heute beendet Ihr hier beim Summer Breeze-Festival Eure Europa-Tour und es geht ab in die Heimat.

Jamey Jasta: Ja genau. Ich freu mich total auf die Show heute Abend, ich freu mich aber auch mal wieder nach Hause zu kommen. Mein größtes Problem ist momentan mein ganzes Zeug wieder in eine Tasche fürs Flugzeug zu bekommen!
X: Im November seid Ihr dann schon wieder in Europa auf Tour…

JJ: Ja, aber das wird keine ausgiebige Tour, das sind nur einzelne Dates. Ich glaube in Deutschland sind es nur zwei (Berlin und Schwäbisch Hall, Anmerk. d. Verf.), ansonsten spielen wir nur einzelne Shows in England, der Slowakei, Polen und den Niederlanden - und dann geht’s weiter zur Warped Tour nach Australien! Da werden wir über 25 Stunden im Flieger sitzen. Erst nach New York, dann nach Los Angeles und dann nach Sydney. Aber es ist’s wert.
X: Dir scheint es hier beim Summer Breeze recht gut zu gefallen.

JJ: (lacht).
X: Im letzten Jahr warst Du hier mit der „Jasta vs. Windstein“-Show, 2011 warst Du mit Hatebreed hier und auch dieses Jahr seid Ihr mit dabei! „Jasta vs. Windstein“ war eine exklusive Show, die es weltweit nur beim Summer Breeze zu sehen gab, oder?

JJ: Das stimmt. Wir hätten da auch mit Kingdom Of Sorrow (der gemeinsamen Band von Jamey Jasta und Kirk Windstein von Crowbar, Anmerk. d. Verf.) spielen können, das wäre dann aber nur eine gute halbe Stunde gewesen, weil wir wegen der vollen Terminpläne von allen maximal einen Probetag hinbekommen hätten. Mit meiner Jasta-Soloplatte hatte ich knapp eine Dreiviertelstunde. Die beiden Sachen unter dem Banner „Jasta vs. Windstein“ zusammenzufügen lag also nahe. Einige der Jasta-Songs hatte ich vorher noch nie live gespielt und so war es auch cool für mich, weil es eine echte Herausforderung war. Bei Hatebreed schreie ich ja nur, da muss ich keine Noten treffen und nicht stillstehen.
X: Wie sieht’s denn mit Kingdom Of Sorrow aus? Seid Ihr schon wieder am Ideen sammeln für ein weiteres Album?

JJ: Ja, schon. Aber obwohl Kirk einer meiner besten Freunde ist, hab ich seit ein paar Monaten nur über Email Kontakt mit ihm. Wir sind auf Tour und er ist glücklich verheiratet…
X: …und lässt alle Welt über Facebook daran teilhaben!

JJ: Ja, das ist wohl wahr. Ich nenne ihn schon scherzhaft Fabrizio Facebook! Aber die Sache ist ja, die Leute denken immer, dass unsere Bands so sehr vom individuellen Leid und Problemen gespeist werden. Aber an sich ist das gerade anders herum. Je mehr gut läuft in unserem Leben, umso mehr Energie und Qualität können wir in unsere Bands investieren. Ich freue mich so für Kirk, dass es ihm gut geht und er glücklich ist. Als es ihm schlecht ging, lag ich schon mal in meiner Koje und hab wegen ihm geweint. Eine Zeit lang hatte ich wirklich Sorge, dass da mal nachts ein Anruf mit einer schlechten Nachricht kommt, aber jetzt ist ja alles gut. Auf der letzten Tour hab ich ihm auch ganz klar gesagt, dass ich nix mehr mit Kingdom Of Sorrow machen werde, wenn er sein Leben nicht auf die Reihe bekommt. Und er hat das durchgezogen. Ich hab ihm eine Plattenfirma für die Crowbar-Platte besorgt und wir werden nächstes Jahr eine, nur eine, Kingdom Of Sorrow-Tour machen. Die muss kurz sein, wohl nur zehn Tage, vielleicht vierzehn; und einfach da spielen, wo es am meisten Nachfrage gibt. Wenn also das Crowbar-Album draußen ist, gehen wir das an.
X: Hatebreed wurde 1994 gegründet, oder?

JJ: Ja, Ende 1994…
X: Habt Ihr denn fürs nächste Jahr zum Jubiläum etwas Besonderes geplant, um das entsprechend zu begehen?

JJ: Ich würde wirklich gerne Wacken spielen und da unser Jubiläum gebührend feiern, dafür würde ich sogar unsere Tourpläne in den USA über den Haufen werfen. Ich hätte das auch gerne beim With Full Force oder dem Summer Breeze gemacht, aber wir waren nicht mehr in Wacken seit 2008. Später, also so im Oktober/ November 2014 wird es dann eine ordentliche Jubiläumstour geben.
X: Aber eine neue Veröffentlichung ist nicht geplant 2014? Vielleicht eine DVD - für ein neues Album wird’s ja noch zu früh sein…

JJ: Wir haben über eine DVD nachgedacht. Aber das Problem ist, die Leute würden sie sich wohl einfach irgendwo runterladen! Schon bei der letzten DVD hat uns das wehgetan. Die ist zwar in Amerika auf Platz 1 gegangen, hat sogar in einem Kopf an Kopf-Rennen ZZ Top geschlagen, und das war 'ne große Sache für uns, aber wir haben eine Menge Geld in die Herstellung dieser DVD gesteckt und kurz nach der Veröffentlichung konnte man die dann vielerorts illegal runterladen. Wir überlegen uns das jetzt also zweimal, ob wir erneut viel Geld in die Produktion einer DVD stecken und am Schluss auf den Kosten sitzen bleiben, weil sich nur wenige zum Kauf entschließen und sich viele einfach im Netz bedienen. Wir sind gerade am Überlegen, ob wir nicht so ein Crowdfunding-Modell dafür ausprobieren.
X: Das machen ja viele Bands dieser Tage recht erfolgreich. Funktioniert aber eben nur mit nem großen Namen.

JJ: Ja, richtig. Auf diesem Weg sind wir sicher, dass jeder, der die DVD wirklich will, sie auch bekommt - und bezahlt. Beim letzten Mal hab' ich wirklich Ewigkeiten mit dem Schneiden des ganzen Materials verbracht, und ich weiß, dass das bei der Dokumentation und einer eventuellen weiteren Live-DVD wieder ganz genauso wäre; das wären Wochen, wenn nicht gar Monate, die man da investieren müsste. Mal abwarten, was daraus wird, das ist seither nur 'ne Idee.
X: Siehst Du da generell die Zukunft im Musikbereich? Glaubst Du es wird mehr und mehr über Crowdfunding laufen?

JJ: Naja, nimm mal Protest The Hero. Eine sehr talentierte einzigartige Band, die gerade sehr viel Geld über diesen Weg zusammenbekommen hat, aber eben auch, weil sie schon recht bekannt waren in ihrem Genre. Aber auch eine kleine Band, die jahrelang bei verschiedenen Plattenfirmen und mit wechselnden Besetzungen rumgerödelt ist wie Chimaira, hat gerade all die Skeptiker widerlegt und über diesen Weg sogar mehr Geld generiert, als sie sonst von einem Label bekommen hätten. Hinzu kommt, dass die Band auf diesem Weg die volle kreative Kontrolle über ihre Arbeit hat. Niemand redet ihnen rein und bestimmt die Single, das Artwork, den Produzenten usw. Aber ob das die Zukunft sein wird, bleibt abzuwarten, man muss das von Fall zu Fall betrachten.
X: Das Debüt-Album von Hatebreed war „Satisfaction Is The Death Of Desire“. Das könnte man auch gut als Motto über Deine Karriere schreiben, oder?

JJ: Ja, das ist schon irgendwie meine Message. Aber auf dieser Tour war ich richtig faul. Es gibt Tage, da will ich eigentlich gar nicht raus aus dem Bett, da bin ich wie ausgebrannt, will mit niemandem reden, keine Emails schreiben usw. Aber umso mehr Energie hab' ich dann später auf der Bühne, fürs Publikum und die Fans. Ich hab' auf dieser Tour wohl mehr Fans getroffen, als jemals zuvor, einfach weil mich der Alltag noch nicht so ausgesaugt hatte. Ich schreibe den Großteil der Musik, entwerfe das Merchandise, helfe beim Buchen der Touren; ich stecke überall mit drin - das kann einen schon auslaugen! Aber trotzdem, wenn ich dann auf die Bühne komme und, wie heute wohl, da dann 20 - 30.000 Fans stehen und jedes einzelne Wort deiner Songs mitsingen - dann weiß man auch gleich wieder, dass das die ganze Plackerei wert ist. Aber es sind eben extreme Höhen und verdammt derbe Tiefen.
X: Da Du Dich offensichtlich immer wieder gerne neuen Herausforderungen stellst, gibt’s da etwas, was Du gerne noch angehen würdest? In einem Spielfilm mitspielen, ein Buch schreiben oder etwas in der Art?

JJ: Ach, ich hab' in ein paar Filmen mitgespielt, aber es hat mir nicht gefallen. Einfach, weil man da so viel Zeit mit Rumsitzen und Warten kaputt macht. Ich hatte auch mal eine eigene Fernsehshow und kenne somit viele Leute in dem Business - ich bekomme also immer mal wieder etwas angeboten. Aber ich finde, ich hab' mehr davon einen Song zu schreiben, den theoretisch Millionen von Leuten hören können, als kurz in einem Film aufzutauchen, den dann ein paar tausend oder hunderttausend Leute sehen würden. Wenn da mal ein Angebot dabei ist, das wirklich großes Potential und Aussicht auf ein großes Publikum hat und meine Ausgaben deckt, dann überleg' ich es mir vielleicht. Um also auf Deine Frage zurückzukommen: ein großer Film, ein Buch - möglich ist so einiges!
X: Seit Du 16 Jahre alt warst, ist Hatebreed Deine Berufung gewesen. Was wollte denn der kleine Jamey mal werden, bevor er die Musik für sich entdeckt hat?

JJ: In der Gegend aus der ich komme, hat man nicht so viele Optionen. Ich hab' gesehen, wie sich Leute Gangs angeschlossen haben und umgebracht wurden. Ich hab' Leute gesehen, die zu Kriminellen wurden und im Gefängnis gelandet sind. Ich hab' Leute gesehen, die mit Drogen ihr Leben ruiniert haben. Und ich hab' Leute gesehen, die versucht haben alles richtig zu machen und auf die Uni gegangen sind, heirateten und einen normalen Job gemacht haben - und trotzdem hatten sie ein mieses Leben. Es gab also genügend Anschauungsmaterial, das mich dazu bewegt hat, meinen eigenen Weg zu finden. Mein Vater war beim Militär, in Vietnam. Und der ganze Krieg war ja eine recht kontroverse Sache. Mein Vater wurde also von seinem Land in diesen Krieg geschickt und musste sich danach in der Heimat als Mörder beschimpfen lassen. Die Soldaten waren nicht so recht willkommen zu der Zeit - ganz anders als heute. Trotzdem ist das bis heute der Weg für Kinder vermögensschwacher Familien, an eine Ausbildung und überhaupt an Bildung heranzukommen. Aber mein Vater hat mir das kategorisch verboten. Er sagte, er würde mir nie erlauben zum Militär zu gehen. Insofern hatte ich nicht allzu viele Optionen, zudem hatte es lange niemand mehr aus Connecticut im Musikgeschäft zu etwas gebracht. Es war also wohl einfach an der Zeit! (lacht)
X: Und wie kamst Du als Kind in Kontakt mit Musik?

JJ: Meine Eltern hatten eine ganz ordentliche Plattensammlung. Das ging von The Doors und Led Zeppelin bis hin zu den Pointer Sisters und Michael Jackson. Sie waren keine Superfans, sie haben sich einfach nur erfolgreiche Alben ins Haus geholt, ob nun Rock, Jazz, Indie oder was auch immer. Es war aber auch cool in den 80ern aufzuwachsen und Musik zu entdecken. Ich hatte alles von LL Cool J und Run DMC bis hin zu Beastie Boys und Metallica. Und weil wir eben auf dem Weg zwischen New York und Boston liegen, haben da auch eine Menge Bands Halt gemacht. Ich hab' also schnell festgestellt, dass es da eine Menge Orte für Live-Musik gibt, einer davon war bei mir quasi um die Ecke. Da bin ich immer hingeradelt, oder meine Schwester hat mich gefahren…


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