Doppelleben in Analogistan: Florian Schroeder
Der Kabarettist, Moderator, Autor und Redner Florian Schroeder ist seit über 15 Jahren auf deutschen Bühnen unterwegs, hat mehrere Bücher veröffentlicht und ist regelmäßig im Fernsehen udn Radio präsent. Seit Anfang August hat er seinen Bekanntheitsgrad massiv gesteigert, indem er bei einer großen Querdenker-Demo in Stuttgart den anwesenden Corona-Kritikern, Impf-Gegnern, Verschwörungs-Schwurblern, Hutbürgern, Esoterikern und Rechten rhetorisch aufs allerfeinste den Spiegel vorgehalten hat. Die Organisatoren hatten offensichtlich einen Comedy-Beitrag Schroeders im NDR für bare Münze gehalten, ihn als einen der ihren identifiziert und sich Schroeder fröhlich als trojanisches Pferd auf ihre Kundgebung eingeladen. Ende Oktober kann man ihn im Stuttgarter Theaterhaus live erleben und wir hatten im Vorfeld das Vergnügen eines Telefonats mit dem smarten Mann. Bestens gelaunt und blitzgescheit stand er uns Rede und Antwort.
Florian Schroeder: Ach danke, das ist ja süß. Und nee, tatsächlich war keine Zeit zum Feiern. Es ist ja einiges los gerade und ich bin sogar aufgetreten an diesem Tag. Es war im Grunde genommen also ein ganz normaler Tag.
FS: Nein, das ist mir nicht wichtig. Ich habe meine Geburtstage eigentlich noch nie gefeiert – nur einmal unfreiwillig. Ich stehe privat ungern im Mittelpunkt.
FS: Nee, das zum Glück nicht. Das war schon abgesprochen. Ich habe mich drauf eingelassen, weil man mich im privaten Umfeld dazu genötigt hat und dann hab ich‘s eben gemacht.
FS: (lacht) Das stimmt, das ist wirklich kalkuliert eskaliert seither.
FS: (lacht) Ja, genau. Das war natürlich eine nicht vorhersehbare Situation, weil ich aus der eigenen “Bubble” rauskam, runter vom üblichen Feld und das ist somit auch nicht das Publikum, das an den Stellen lacht, an denen ich das planen konnte. Das Publikum hätte mich auch nach fünf Minuten von der Bühne buhen oder auf die Bühne stürmen können – wobei das logistisch schwierig geworden wäre. Das konnte ich vorher alles nicht kalkulieren, weil ich ja sonst auch nicht der Künstler bin, der jede Woche auf einer Demo spricht, insofern war das in jeder Hinsicht Neuland. Ich musste in dem Moment, als ich auf die Bühne ging, für mich, für die Leute und auch dafür, was ich da sagen wollte, erst Mal ein Gefühl finden.
FS: Doch, genau die Sorge hatte ich die ganze Zeit. Weil ich nur meinen Facebook-Account auf so semi-verschwörungstheoretische Inhalte umgestellt hatte. Ich habe da also komisches Zeug mit vielen Ausrufezeichen und Emojis gepostet, hab mich denen sprachlich etwas angenähert und angefangen über Drosten zu lästern. Parallel habe ich aber bei Twitter ganz normal weitergemacht, als wäre nichts. Auf Twitter war dieser Irrtum, dass man meinen NDRAuftritt falsch verstehen hätte können, überhaupt kein Thema. Ich habe für diese Phase also ein Doppelleben geführt (lacht). Und hatte deswegen auch permanent Angst vor Enttarnung, weil man ja nur mal kurz bei Twitter hätte reinschauen müssen.
FS: Das würde ich lieber nicht sagen; Vor allem bewegen die sich offensichtlich in einer Welt, in der sie nur einfachste Bestätigung für das kriegen, was sie ohnehin schon wissen und glauben. Letztlich sind sie also überhaupt keine Querdenker, weil sie gar nicht denken, sondern sich über das freuen, was sie ohnehin glauben wollen. Ohne irgendwas zu hinterfragen. Das sind Dynamiken der Abschließung, die sicher jeder kennt und die wir auch alle punktuell aufweisen, weil wir immer das glauben wollen, woran wir schon immer geglaubt haben. Aber bei Leuten, die für sich selbst beanspruchen hyperkritisch zu sein, hat sowas natürlich nochmal eine andere Fallhöhe.
FS: Naja, vieles was wir in den letzten Jahren erlebt haben, ist ja dadurch auch in Gang gesetzt worden. Alle Attentäter, alle mutmaßlichen Mörder – beispielsweise der Täter, der Walter Lübcke ermordet haben soll oder der Täter von Hanau – das si allesamt Täter, die sich auch im Internet radikalisiert haben. Man muss da aber vorsichtig sein mit einfachen Antworten, ob die Regulierung das alleine löst, wage ich zu bezweifeln. Es geht letztlich um eine Form von Medienbildung und -erziehung, und zwar in der Form, dass jeder in der Lage ist, sich selbst und die Inhalte, die er teilt, kritisch zu hinterfragen und einzuordnen. So dass man selber in eine Situation kommt kritisch zu urteilen und sich entsprechend immunisiert gegen die sogenannten Fake-News. Die Forderung nach staatlichen Eingriffen scheint mir da ein bisschen zu einfach…
FS: Unbedingt. Überhaupt grundsätzliche und zeitgemäße Medienerziehung – aber das ist natürlich schwer zu machen in Schulen, die teilweise nicht mal über stabiles Internet verfügen und stattdessen bei Tageslichtprojektoren und VHS-Rekordern stehengeblieben sind. Wenn man in Analogistan gefangen ist, ist das zwar eine schöne Forderung, scheint mir in der Praxis aber schwer umsetzbar.
FS: Tatsächlich mache ich Previews immer in kleinen Läden und tendenziell eher auf dem Land, einfach weil das in einem kleinen, geschützten Raum stattfinden soll. So dass ich in Ruhe ausprobieren kann. Das ist das eine. Das andere ist ein Akt der Solidarität mit Veranstaltern, die mich schon zu einer Zeit gebucht haben, als mich noch kein Mensch kannte. Und im Rahmen dieser Vorpremieren kann ich dann auch an solche Orte und in kleinere Läden zurückkehren und so signalisieren, dass ich nicht vergessen habe, wo ich herkomme.
FS: In den ersten Shows lese ich das Programm tatsächlich am Tisch sitzend vom Blatt vor. Das ist eine Disziplinierungsmaßnahme gegen mich selbst, weil ich früher immer versucht habe, alles auswendig zu lernen, konnte dann aber doch oft nur die Hälfte und so hat man kein Gefühl dafür bekommen, wie das Ganze schlussendlich wirken würde. So bin ich jetzt gezwungen es einmal komplett aufzuschreiben und mich dann auch an diesen Aufschrieb zu halten. Nach ein paar Shows löse ich mich dann nach und nach vom Sitzen und Vorlesen und gehe zum freien Vortrag über. Sobald ich dann nicht mehr ablese, schneide ich dann mit – allerdings nur Audio, Bild brauche ich da gar nicht so sehr. Es geht einfach darum zu hören, wo die Leute lachen und wo nicht; was kann ich besser machen, was muss ich wo noch schleifen usw.
FS: Nee, ich schreib das alles alleine, hab aber eine Art Regisseur und ein paar Kollegen in meinem näheren Umfeld, die auch mal einen Text von mir kriegen und mir dann ihre Meinung dazu sagen. Auf Dauer ist es nicht gut ganz alleine vor sich hinzuschreiben und quasi im eigenen Sud zu köcheln.
FS: Annähernd, ja. Bei gewissen Stellen wusste ich, das muss absolut exakt sein; ich wusste die Dramaturgie, ich wusste wie ich‘s aufbaue; ich wusste was sitzen muss… also ca. 90% war vorher exakt so geplant und bot auch keinen Raum für Improvisation, weil wenn man da mit einem Satz daneben liegt, wird man falsch verstanden und landet dann schnell da, wo man gar nicht hinwollte.
FS: Mein Ansprechpartner hat mir eine Nachricht geschrieben, dass sie sich das natürlich alles anders vorgestellt haben, dass aber auch solche Meinungen Platz auf ihrer Bühne finden.
FS: Es ist natürlich auch wichtig für solche Organisationen, dass man schnell den Feind zum Freund macht und okkupiert. Das ist ein klassischer Move.
FS: Genau so war das damals!
FS: Das war wirklich der Moment, in dem sich alles gedreht hat. Davor war ich immer der Underdog in der Schule und ab dem Moment war ich dann auf der anderen Seite und eher so der coole Klassenclown. Ich habe das dann natürlich auch ausgenutzt, ausgereizt und gnadenlos überzogen. Das war auch eine wichtige Lektion für später, wie weit man gehen kann, und zu wissen, wann es genug ist.
FS: Es gab kein Drehbuch und es war im Vorfeld auch nicht klar, dass das über eine Distanz von drei Stunden gehen würde.
FS: Das haben wir lange diskutiert und ich sehe das recht entspannt als redaktionelle Entscheidung. Das können sie so machen, das ist ihr Hausrecht. Ich finde das völlig legitim. Ich selbst hätte es anders geregelt und deswegen gibt‘s ja auch bei mir nach wie vor den kompletten Beitrag bei Instagram. Da kann man den kompletten Originalbeitrag nachhören und sehen, wie es dazu kam und wie der Zusammenhang ist. Ich finde es immer besser und souveräner, solche Sachen stehen zu lassen. Ab dem Moment, in dem man reagiert hat, macht man sich auch ein bisschen angreifbar, weil dann eben gleich die Zensur-Vorwürfe kommen – was natürlich Quatsch ist, denn es ist eine redaktionelle Entscheidung, die der Sender treffen kann. Wenn man es stehen gelassen hätte, hätte man eben auch die Debatte zulassen können. Man muss den Beitrag ja nicht gut finden und hätte da auf ganz vielen Ebenen diskutieren können, jeder hätte sich seine Meinung bilden können. Insgesamt ist der Sender mit der wirklich schwierigen Situation insgesamt sehr sachlich, solidarisch und souverän umgegangen.
FS: Ja. Wobei das ja noch einmal ein ganz anderes Level war. Da ist wirklich alles schief gegangen, indem sich der Intendant zwischen Weihnachten und Silvester vom Krankenbett seines Vaters gemeldet hat, um zu sagen, dass sein Vater keine Umweltsau ist sei. Obwohl der im Song gar nicht gemeint war, sondern die Generation des Intendanten selbst. Dieses Kommunikationsdesaster, das damals dort entstanden ist, hat der rbb souverän umschifft – das muss man sagen! Ich kann mich in der Zusammenarbeit überhaupt nicht beklagen.
FS: Ja, aber dieses Mal ist es nur eine Stunde geworden, nicht drei. Das war vielleicht auch der Wiedersehensfreude nach einem halben Jahr geschuldet.
FS: (lacht) Das wäre erstens ein Haus am Meer. Dann zweitens … (denkt lange nach) ein eigenes Schiff (lacht). Weil ich eben so ein Meerfan bin. Und drittens Gesundheit bis zum Lebensende. Also ich will nicht ewig leben, aber bitte möglichst wenig Krankheiten und kein Dahinsiechen.
FS: Ich danke fürs Gespräch, hat viel Spaß gemacht!