Atheisten im Biergarten: Nightwish
„Endless Forms Most Beautiful”. Das achte Album der finnischen Symphonic Metal Band Nightwish erschien Ende März. Mitreißende Melodien, große Orchester-Arrangements und charismatischer Frauengesang sorgten für weltweiten Erfolg der Band. In ihrer Heimat waren die letzten fünf Alben immer auf Platz 1 in den Charts zu finden, und auch in Deutschland waren mehrere Alben auf der Pole Position. Das erfolgreichste Album ihrer bisherigen Karriere, „Once“ (dreifach Platin in Finnland, dreifach Gold in Deutschland), liegt über zehn Jahre zurück und wurde noch mit Tarja Turunen am Mikro aufgenommen. Auf Turunen folgte dann für circa sieben Jahre Anette Olzon bis man sich 2012 auch von ihr trennte und die Niederländerin Floor Jansen (ehemals After Forever, Revamp), zunächst als Aushilfe auf der laufenden „Imaginaerum World Tour“, zur Band stieß. Ein Jahr später gab Keyboarder und Bandkopf Tuomas Holopainen Jansen als festes Bandmitglied bekannt. Im April beginnt die Band in den USA ihre ausgiebige Welttournee: Im August sind sie einer der Headliner des Summer Breeze Festivals und im Dezember dann in der Stuttgarter Schleyerhalle. Floor Jansen ist mittlerweile nach Finnland gezogen und stand uns am Telefon Rede und Antwort. Im Laufe des Gesprächs taute sie zunehmend auf, und als es dann um ihr Lieblingsthema, Gesang und Gesangstechnik ging, war sie eine sprühende Gesprächspartnerin.
Floor Jansen: Ja, da haben wir viel Zeit reingesteckt und wir sind gerade fertig mit den Proben. Es war schön die Songs wieder zu spielen und sich auf die Tour vorzubereiten.
FJ: (lacht) Ja, da haben wir ehrlich gesagt so ein kleines Luxusproblem. Aber wir haben es hinbekommen.
FJ: Ich bin gerade dabei es zu lernen.
FJ: Da sagst Du etwas. Es ist unter den Top 5 der schwierigsten Sprachen der Welt! Das war auch einer der Gründe hierherzuziehen. Ich habe in den Niederlanden damit angefangen, die Sprache mit einem Finnen als Lehrer zu lernen. Aber ich habe schnell gemerkt, dass das eine Sprache ist, die man täglich hören und sehen muss, um da richtig reinzukommen. Der Umzug hat sich als die genau richtige Entscheidung bestätigt, denn ich genieße auch das Land und besonders die Landschaft sehr. Auch die frische Luft in Skandinavien und die Weite sind sehr angenehm für mich. Ist schon ein großer Kontrast zu den Niederlanden, wo 16 Millionen Menschen auf deutlich engerem Raum aufeinander hocken - im Gegensatz zu den 5,5 Millionen Finnen. Ich habe mich richtig in das Land verliebt!
FJ: (lacht) Ich kann mir mittlerweile sogar ein Haus leisten, aber Du hast schon recht, ich bin nicht oft daheim. Es ist ja nicht nur die Tour, auch wenn man im Studio oder auf Promo-Tour ist und bei all den anderen Sachen, die ich noch so mache, ist man ständig unterwegs. Aber es ist trotz allem wichtig, einen Ort zu haben, zu dem man zurückkehren kann. Und es fühlt sich mehr und mehr wie ein Heim an.
FJ: Keine Ahnung, ich bin ja kein Mann und ich war auch noch nie mit anderen Frauen auf Tour! Ich mache das jetzt, seit ich 18 Jahre alt bin, also schon über 15 Jahre … das ist kein großes Ding für mich.
FJ: Nein.
FJ: Da hast Du schon recht, aber das gilt ja irgendwie für die anderen auch. Außerdem verausgabt man sich bei einer Headliner-Show derartig, dass da kaum noch Luft für Party im Anschluss ist. Natürlich will man ab und an auch mal feiern, aber das will wohlüberlegt sein. Man muss körperlich fit bleiben. Allerdings darf der Spaß auch nicht auf der Strecke bleiben! Da muss jeder seine Balance finden. Wenn ich nach einem Auftritt zwei Drinks habe, schlafe ich ruckzuck ein, weil ich auf der Bühne zuvor alles gegeben hatte und dann einfach platt bin.
FJ: Nein, wir haben uns auf der Tour kennengelernt. Das war überhaupt unsere erste Tour mit After Forever. Ich war davor noch nie mit einem Nightliner unterwegs, zudem war ich Nightwish-Fan, es war also alles sehr aufregend. Wir haben uns aber richtig gut verstanden, hatten eine Menge Spaß und sind seit der Tour in stetem Kontakt geblieben. Wenn Nightwish in den Niederlanden aufgetreten sind, haben wir sie besucht usw. ... Diese erste Tour war für alle Beteiligten sehr angenehm damals.
FJ: Tuomas ist der Komponist und der „Kopf“ der Band und Marco (Hietala, Bassist der Band, Anmerk. d. Verf.) hat auf dem neuen Album wieder ein paar Parts beigesteuert. Daran hat sich nichts geändert seit ich dazugekommen bin. Ich bin sehr gerne Songwriter, habe aber gar kein Problem, mich da bei Nightwish zurückzunehmen, wo da doch so fantastische Leute den Job machen. Meine Kreativität kommt dann wieder ins Spiel, wenn es darum geht, dem Material die richtige Stimme zu verpassen. Mag sein, dass es in der Zukunft mehr Möglichkeiten gibt, sich da einzubringen, aber auf dem Album hat es auch so super geklappt und ich bin total glücklich.
FJ: Da bin ich mir nicht ganz so sicher, es geht da um einen Ort in den USA, wo Walden sich in der Natur eine Hütte baut …
FJ: Oh, ich lese sehr gerne!
FJ: Da fällt mir als erstes Tess Gerritsen ein …
FJ: Ach ich mag so allerlei verschiedene Sachen. Z.B. Clive Barker und auch Stephen King. Und seit ich bei Nightwish bin, habe ich auch Richard Dawkins für mich entdeckt, das macht auch viel Freude. Allgemein wechsle ich immer mal wieder das Genre, damit es interessant bleibt. Natürlich lese ich auf Tour viel, weil man da einfach immer mal wieder Phasen hat, wo nicht viel passiert. Aber ich lese auch sonst sehr gerne.
FJ: Echt jetzt?
FJ: Danke, das freut mich - und ja, bei dem Song dreht es sich um unsere Eltern, es ist quasi eine Ode an sie. Ein Dank an die Leute, die uns auf diesen Planeten gebracht haben. Wir können von Glück sagen, dass wir solche Eltern haben, die uns so glücklich haben aufwachsen lassen.
FJ: Nein. Zumindest jetzt noch nicht. Man steckt so viel Energie in jeden Song, es fühlt sich einfach falsch an, da einen über die anderen zu stellen. Es gibt schon ein paar, die ich richtig gerne mag, aber wenn ich die dann aufzähle, habe ich am Schluss doch wieder alle Songs des Albums … (lacht).
FJ: Boah, das weiß ich ehrlich gesagt noch gar nicht. Ich denke wir werden eine gute Mischung aus neuen und älteren Songs finden. Es wäre cool, wenn wir etwas variieren könnten und nicht jeden Abend das gleiche Programm spielen.
FJ: (überlegt) Nein. Ich wusste das vorher auch nicht!
FJ: Rammstein mag ich sehr gerne.
FJ: Naja, ich habe etwas Deutsch gelernt, ich verstehe also auch die Texte; ich finde die sehr lustig und das ist auch mit Grund dafür, dass ich sie cool finde.
FJ: Nein. Obwohl doch, ich finde „Biergarten“ klingt richtig gut! (lacht)
FJ: Ach, da kam eins zum anderen. Ich habe studiert, brauchte Geld und habe angefangen etwas Unterricht zu geben. Das war so um 2003. Ich genieße das sehr und habe das nebenher immer weitergemacht. Wenn ich nicht auf Tour oder im Studio bin, ist mehr Zeit dafür übrig. Seit ich bei Nightwish bin, ist regelmäßiger Unterricht nicht mehr möglich. Im letzten Jahr bin ich immerhin noch zu zwei, drei Workshops hin. Im nächsten Jahr wird das eher schwierig werden. Die Leute fanden es schon immer inspirierend, von mir zu erfahren, wie ich manche Sachen mache. Und da ich ohnehin so ein Art Technik-Freak bin, bin ich an dem Thema drangeblieben und finde es interessant, wie sich die Thematik über die Jahre verändert hat. Ich war im ersten Jahrgang der „Rockacademy“, eine Hochschule, die versucht im Pop- und Rockbereich ähnlich fundiert zu unterrichten, wie an einem Konservatorium. Man hat vor ein paar Jahren auch noch gedacht, dass rauer, geschriener Gesang auf Dauer die Stimme ruiniert. Mittlerweile gibt es aber eine Menge Leute, die das schon sehr lange machen und somit diese Theorie widerlegt haben. Ich finde es toll, wie da um die Stimmbänder und verschiedene Techniken herum geforscht wird. Und ich mag es auch, meine Stimme auf verschiedenste Arten einzusetzen und Neues auszuprobieren. Ich growle nicht und arbeite auch erst seit dem zweiten Revamp-Album mit rauem Gesang. Da habe ich das und die entsprechende Technik für mich entdeckt. Selbst zehn Jahre nach meinem Abschluss an der Hochschule lerne ich immer noch Neues dazu!
FJ: (lacht) Nein, nein, das Buch sollten die Leute schreiben, die die Forschung betreiben. Ich bin jetzt schon völlig ausgelastet, wenn nicht sogar überarbeitet. Aber was ich wirklich bedaure, ist, dass mir die Zeit fehlt, da wissenschaftlich am Ball zu bleiben und alles mitzubekommen, was an neuem Wissen veröffentlicht wird.
FJ: Irgendwie kann wohl jeder singen, weil man ja seine Stimmbänder benutzen kann, der Teil ist also wie Radfahren. Aber deswegen muss man noch lange nicht besonders gut sein. Ohne Talent kommt man nicht weit. Ich glaube, dass ein richtig guter Sänger das Talent in die Wiege gelegt bekommt. Als ich mit dem Unterrichten angefangen habe, dachte ich noch, dass es jeder lernen könnte, aber das hat sich geändert. Wenn man Unterricht hat, kommt man schneller ans Ziel. Aber wenn man das Talent hat, braucht man auch nicht unbedingt Unterricht.
FJ: Nein, überhaupt nicht. Ich glaube nichts, was man nicht wissenschaftlich beweisen kann. Für mich ist vor der Show nur wichtig, dass ich mich für etwa eine Stunde von allem zurückziehen kann. Die Zeit brauche ich zum Schminken, zum Anlegen des Bühnenoutfits und um meine Stimme aufzuwärmen. Und wenn dann das Intro zum ersten Song läuft, fängt das Adrenalin zu pumpen an!